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Gerda Ridler: Die Sammlung Böhme: »Kunst der verlorenen Generation«. In: Wir haben uns lange nicht gesehen. Kunst der verlorenen Generation. Sammlung Böhme, München 2020
Es gibt nichts Besseres,
als sich für unvergängliche Werte einzusetzen.
Hanna Bekker vom Rath, 1940
Die Sammlung Böhme: »Kunst der verlorenen Generation«
Die Kunstsammlung von Professor Dr. Heinz R. Böhme, die seit Oktober 2017 in seinem Salzburger Privatmuseum öffentlich zugänglich ist, konzentriert sich auf Künstlerinnen und Künstler der »verlorenen Generation«. Es handelt sich dabei um Kunstschaffende, die um 1900 im damaligen Deutschen Kaiserreich, der Österreichisch-Ungarischen Monarchie und den angrenzenden Gebieten des Russischen Reichs geboren wurden und deren Leben und künstlerisches Schaffen durch die katastrophalen Ereignisse in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt wurden – durch den Ersten Weltkrieg, die entbehrungsreichen Jahre der Nachkriegszeit, den aufkommenden Nationalsozialismus, das Mal- und Berufsverbot im Dritten Reich, die massiven Verluste im Luftbombenkrieg sowie die Veränderungen im Betriebssystem Kunst nach 1945. Es ist den widrigen Zeitumständen geschuldet, dass das Schaffen zahlreicher Künstlerinnen und Künstler dieser Generation daher vielfach unbeachtet und unbekannt geblieben ist.
Stand der Forschung
Den Begriff der »verlorenen bzw. vergessenen oder verschollenen Generation« hat der deutsche Journalist und Kunsthistoriker Rainer Zimmermann (1920–2009) geprägt. Unter »Verschollenheit« versteht er »die relative Unbekanntheit des Namens und des Werkes in der kunstinteressierten Öffentlichkeit im Vergleich zum künstlerischen Rang«. In einer jahrelangen umfangreichen Recherche hat er Spuren verlorener Künstlerinnen und Künstler verfolgt und 1980 das Buch Die Kunst der verschollenen Generation. Deutsche Malerei des Expressiven Realismus von 1925–1975 herausgegeben. Diese Publikation erschien 1994 in einer erweiterten Neuauflage und gilt seither als wesentliches Nachschlagekompendium zur bildenden Kunst der ersten nachmodernen Strömung in Österreich und Deutschland. Die Studie wurde einerseits als »ein Werk der Wiedergutmachung« (Die Welt) bezeichnet, weil sie erstmals auf zahlreiche Künstlerschicksale aufmerksam machte und das Schaffen bisher vergessener Protagonisten dieser Generation ans Licht der Öffentlichkeit brachte. Andererseits hat diese Publikation auch Kritik auf sich gezogen, weil mit diesem subsumierenden Verständnis eine ganze Generation als verschollen erklärt wurde, wodurch sowohl individuelle Entwicklungen als auch spezifische Leistungen arrivierter Künstlerinnen und Künstlern nivelliert werden. Zweifelsfrei hat die Herausgabe dieses Buches aber Anlass für weitergreifende wissenschaftliche Recherchen gegeben und in der Zwischenzeit zu einer teilweisen Neubewertung der Malerei des 20. Jahrhunderts beigetragen. Die Forschungen von Rainer Zimmermann fielen besonders in Sammlerkreisen auf fruchtbaren Boden, denn bekanntermaßen sind es vornehmlich private Sammler, die abseits des Kanons liegende Kunstströmungen ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken. Einen wesentlichen Bestandteil in der kunsthistorischen Aufarbeitung und Bekanntmachung dieser Künstlergeneration stellen die deutschen Privatsammlungen von Gerhard Schneider (*1937), Joseph Hierling (*1942) und Thomas B. Schumann (*1950) dar. Ihre öffentlichen Präsentationen und Publikationen haben zur weiteren Bewusstseinsbildung und teilweisen Korrektur des bildnerischen Schaffens des 20. Jahrhunderts geführt. Die Sammlung Böhme fügt diesen Bemühungen um Erkenntnisgewinn nun eine neue Facette hinzu: Im Salzburger Privatmuseum verfolgt Heinz R. Böhme (*1932) das Ziel, jene Kunstschaffenden in ein öffentliches Licht zu rücken, die in ihrer Entfaltung mehrfach beeinträchtigt und vom etablierten Kunstbetrieb bislang vernachlässigt wurden. Mit der Öffentlichmachung seiner Privatsammlung soll der Kunst der »verlorenen Generation« und vor allem den Menschen, die dahinter stehen, die längst überfällige und gebührende Anerkennung zukommen.
Die »verlorene« bzw. »verschollene Generation«
Die Künstlerinnen und Künstler der »verlorenen Generation« eint ein gemeinsames Schicksal: Sie wurden um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert geboren und gehören damit zur zweiten Generation der Moderne. Leider hatten viele von ihnen nicht das Privileg, auf eine durchgängige künstlerische Ausbildung und geradlinige Entwicklungslinie wie vorangegangene oder nachfolgende Künstlergenerationen blicken zu können, da ihr Leben von den fatalen Zeitumständen geprägt wurde. Viele erlebten den Ersten Weltkrieg als Soldaten an vorderster Front und kehrten verletzt oder traumatisiert zurück. Ihre Studienzeit fiel in die 1920er-Jahre, und trotz der Entbehrungen der Nachkriegszeit gelang es vielen, erste künstlerische Erfolge zu erringen. Doch schon kurze Zeit später wurden sie gemeinsam mit ihren älteren und schon berühmten Kollegen diffamiert, verfemt und mit Berufsverboten belegt ….
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„Wir haben uns lange nicht gesehen. Kunst der verlorenen Generation. Sammlung Böhme“, München 2020, S. 24-45.
Hirmer Verlag München
Museum Kunst der Verlorenen Generation Salzburg
Gerda Ridler [ Juli 2020 ]